Barack Obama – Hoffnung für Amerika ?
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Diese Grundsatzrede macht ihn auf einen Schlag im ganzen Land und auch international bekannt, und noch heute findet sie sich auf sämtlichen gängigen Internetplattformen.
keynote Teil 1· keynote Teil 2
Diese Rede enthält im Kern bereits die wichtigsten Elemente, die den Zauber ausmachen, welcher Barack Obama seitdem umgibt, und deshalb lohnt es sich, sie genauer zu betrachten. Ihre elementaren Aussagen finden sich in jeder Wahlrede, die Obama im Rahmen seiner öffentlichen Auftritte hält, sie werden dem jeweiligen Anlass entsprechend leicht modifiziert – und ihre mitreißende Wirkung hält bis heute ungebrochen an.
Thematisch folgen die Reden Obamas immer dem gleichen Muster: Er stellt sich und seinen Werdegang den Zuhörern vor, er beschreibt, wo die USA heute stehen, er spricht davon, was die Vereinigten Staaten an sich ausmachen, und er erklärt im Anschluss, was zu tun ist, um wieder zu diesem Status Quo zurückzufinden. Dabei argumentiert er in einem für Politiker unüblichem Maße emotional, indem er sich weniger auf nüchterne Faktoren beruft, sondern umso mehr auf einer politisch-religiösen Ebene mit seinem Publikum kommuniziert, Wünsche formuliert, Phantasien in die Köpfe seiner Zuhörer malt, an deren Wir-Gefühl appelliert und sie im selben Augenblick zum selbstverantwortlichen Handeln auffordert. Für uns Europäer fassen diese Muster das Selbstverständnis „USA“ ganz wunderbar zusammen.
Begnadeter Rhetoriker: Obama 2005 vor Studenten in Boston (Quelle: de.wikimedia.org/commons)
Obama berichtet in der Rede zur National Convention zunächst von seiner Familiengeschichte. |
Er schließt mit folgenden Zeilen:
„Ich stehe hier und weiß, dass meine Geschichte Teil der größeren amerikanischen Geschichte ist, dass ich in der Schuld all derer stehe, die vor mir gekommen sind, und dass meine Geschichte in keinem anderen Land der Welt überhaupt möglich gewesen wäre. Wir sind heute Abend hier, um uns der Größe unserer Nation zu vergewissern – nicht weil unsere Wolkenkratzer so hoch sind oder unsere Armee so stark ist oder unsere Wirtschaft so mächtig. Nein, unser Stolz basiert auf der einfachen Prämisse, die vor über 200 Jahren in einer Erklärung zusammengefasst wurde (die „Declaration of Independence, Anm. d. V.): 'Wir halten diese Wahrheiten für unbestreitbar: dass alle Menschen gleich sind. Dass sie alle von ihrem Schöpfer mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.' Das ist das Geniale an Amerika: Das Festhalten an einfachen Träumen, der Glaube an kleine Wunder.“
Jeder Amerikaner hat seine eigene Familiengeschichte, jeder hat Vorfahren, die einmal in die USA eingewandert sind mit ihren Wünschen und Träumen. Aus diesen Wünschen heraus definierten sich die USA bei ihrer Gründung, und ihre wichtigsten Vorstellungen sind in der „Declaration of Independence“ (formuliert, als man sich vom britischen Mutterland lossagte) verankert. Dieser Grundgedanke ist auch den Schwarzen Amerikas im Herzen, deren Vorfahren zwar nicht freiwillig in die Staaten kamen, die jedoch durch ihren starken, zumeist christlichen, Glauben an den göttlichen Schöpfer und dessen Vorstellungen von der Gleichheit aller Menschen die letzten Jahrhunderte im Kampf für die Gleichheit aller Rassen verbrachten. Diese Gedanken sind es, die allen Amerikanern in ihrer Vielfalt gleich sind, darauf lassen sie sich alle reduzieren.
Obama spricht, wenn er fortfährt, nicht von Schwarz oder Weiß, arm oder reich, auch nicht von lesbisch, schwul oder heterosexuell. Er gemahnt in folgenden Worten vielmehr an die christliche Definition der Nächstenliebe und erinnert an die Gemeinsamkeit aller Amerikaner:
„Neben unserem berühmten Individualismus gibt es noch einen anderen Bestandteil der amerikanischen Saga: Den Glauben, dass wir alle miteinander verbunden sind als ein Volk. Wenn es auf der South Side von Chicago ein Kind gibt, das nicht lesen kann, dann betrifft das auch mich, auch wenn es nicht mein Kind ist. Wenn es irgendwo einen älteren Menschen gibt, der seine Medikamente nicht bezahlen kann und entscheiden muss zwischen Miete zahlen und Medikamente kaufen, dann macht das auch mein Leben ärmer, auch wenn es nicht mein Großvater ist. Wenn irgendwo eine arabisch-amerikanische Familie festgehalten wird ohne fairen Prozess und ohne Anwalt, dann bedroht das auch meine Bürgerrechte. Es ist dieser fundamentale Glaube – ich bin der Beschützer meines Bruders, ich bin der Beschützer meiner Schwester – der dieses Land ausmacht. Dadurch können wir unsere individuellen Träume verfolgen und doch immer wieder zusammenkommen als eine amerikanische Familie. E pluribus unum. Aus vielen eins!“
Fortsetzung
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