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Alles Theater 8/10
April 2017
„Als würde ich nicht mir dir reden…“ Szenenstudium der Klasse 1a der ETI Schauspielschule Berlin
ETI 13.7.2016 · © ETI
Vielleicht vorweg: Ich liebe Theater. Bühne, Schauspieler, Worte. Mehr braucht es für mich nicht.
Kein Popcorn, keine Chips, keine Cola, keine halblauten Privatgespräche … stattdessen: Konzentriertheit, Zuhören, Zuschauen, tiefes Eintauchen ins Bühnengeschehen und spüren, was es mit einem macht, wie es widerhallt.
Jetzt ist es schon wieder sieben Monate her, dass ich mich am 16. Juli auf den Weg nach Berlin und zu Daniels neuer Wirkungsstätte, dem ETI gemacht habe.
Ich war so voller Freude und gespannt darauf, Daniel endlich einmal auf der Theaterbühne zu erleben…
Auf dem Programm stand:
Szenenstudium der Klasse 1a der ETI Schauspielschule Berlin
„Als würde ich nicht mir dir reden…“
Ein Stück nach Jon Fosses "Winter"
Eine Bank, ein Bett und Schnee
Aber ich weiß nicht ganz
Ich
Ich glaube
Aber du Du bist doch
Ich muss
Ich sollte
Ich will
Ich würde
Sollen wir gehen?
Jon Fosse kannte ich bis dahin nicht.
Späteres Googeln klärte mich darüber auf, dass er ein norwegischer Autor ist, 1959 in Haugesund/Norwegen geboren wurde und dass seine mehr als dreißig Theaterstücke weltweit aufgeführt werden und ihm zahlreiche Preise einbrachten.
Nebenbei: Ganz begeistert bin ich von den Räumlichkeiten des ETI: Berliner Altbauarchitektur des 19.Jahrhunderts, schöne Gewölbedecken über hohen Räumen, große Fensterfronten. Gemäuer, das Geschichten erzählt. Ich mag das.
Aber jetzt zum Stück:
Es ist ein 2-Personen-Stück. Es geht um einen Mann und eine Frau.
Wir sahen fünf Szenen.
Ich merke gerade, wie ich mit meinen Kurzsätzen in die „Sprachmelodie“ des Stücks falle.
Die ist nämlich sehr speziell: knappe, einfache, abgebrochene Sätze, Wörter.
Fosse sagt von sich, er sei von Natur aus Minimalist und Theater sei ja von sich aus auch eher minimalistisch. „Man … schreibt für einen begrenzten Raum und eine begrenzte Zeit über eine begrenzte Anzahl von Personen." (tagesspiegel)
An seinen Texten ist auch alles minimalistisch: Handlung, Figurenzahl und Sprache. Die Sprache seiner Figuren ist von Schweigen durchdrungen und umgeben. Alles Ungesagte ist wichtiger als Worte. Fosses Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel vergleicht die Stücke „mit einer Art Lochstickerei: Das Eigentliche, worum es geht, wird nicht benannt, sondern nur alles, was darum herum ist.“
Die Löcher muss der Zuschauer mit seinen Gedanken füllen.
Aber jetzt:
In der Eingangsszene sind alle acht Schauspieler gemeinsam auf der Bühne. Der Boden ist mit Schnee bedeckt. Die Männer sind gegen die winterliche Kälte in Mäntel gewandet, die Frauen tragen leichte Kleidung.
Jeder steht für sich, wechselnd sinkt einer von ihnen kraftlos zu Boden, dann zieht es Umstehende hin, um ihm/ihr wieder aufzuhelfen. Am Ende liegen alle am Boden.
Es ist ja ein 2-Personen-Stück und so wechseln in jeder der vier Szenen die Schauspieler.
In Szene 2 bis 5 sehen wir die beiden jeweils in einer Begegnungssituation, die anderen Schauspieler halten sich im Hintergrund der Bühne auf.
Bank - Bett - Bank - Bett – ist jeweils das "Möbelstück" der Begegnung - wobei in den Pausen zwischen den Szenen die Schauspieler die Umbauten übernehmen.
In der zweiten Szene steht die Parkbank auf der Bühne. Es ist Winter, Schneekrümel liegen herum, manchmal schneit es, wenn die abseits stehenden Schauspieler etwas Kunstschnee durch die Finger rieseln lassen oder in die Szene blasen.
Der Mann sitzt da und schreibt in eine Mappe.
(Er kommt aus einer anderen Stadt, ist zu einem Geschäftstermin da, hat daheim eine Frau und zwei Kinder.)
Die Frau geht auf ihn zu, versucht, ein Gespräch anzufangen.
Versucht sie das?
Eine Reaktion provozierend, eine Antwort fordernd, schleudert sie dem Mann Worte entgegen.
"Du, du, du, du, du da, du, ja du, was bildest du dir eigentlich ein, verdammt
… Ja, ja ich rede mit dir verstehst du nicht? Ich rede mit dir, ja tu ich, mit wem denn sonst?
 
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