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Kunterbuntes 2/7
Dezember 2004
Film-Tipp: „Das Phantom der Oper“
sie davon überzeugt war, einer Stimme aus der Vergangenheit zu folgen, die ihr schmerzlich vermißter Vater kurz vor seinem Tod versprach, an ihre Seite zu stellen: den „Angel of Music“, den Engel der Musik….

Während Christine den Anfang einer glänzenden Karriere als Opernstar beschreitet, toben hinter den Kulissen der Oper die Kämpfe zwischen dem charismatischen Phantom und seinem gutaussehenden, bodenständigen Widersacher, dem Grafen de Chagny, bis die Lage schließlich im dumpf-düsteren Versteck tief unter den Hallen der Oper eskaliert. Das Phantom bezwingt schließlich seine Leidenschaft für Christine, als es erkennt, wie tief die Liebe zwischen ihr und dem Grafen wirklich ist, und gibt beiden den Weg in eine gemeinsame Zukunft frei. Bis es allerdings soweit ist, singen sich Gerald Butler („Tombraider“, „Wes Craven präsentiert Dracula“), die junge Emmy Rossum („The Day after Tomorrow) und Patrick Wilson (spielt den Grafen de Chagny) buchstäblich die Seele aus ihren attraktiven Hälsen.
Foto: Concorde-Film
Selten gingen die bekannten Ohrwürmer und Gassenhauer von Andrew Lloyd Webber so dermaßen unter die Haut, wie in dieser geheimnisvollen, opulenten und bezaubernden Verfilmung von Regisseur Joel Schumacher, den der Musicalgott Webber bereits 1988 zum ersten Mal bat, die Verfilmung seines international erfolgreichsten Musicals zu übernehmen. Seit Sarah Brightman (Webbers Ex) gab es keine liebreizendere Stimme als die der erst 18-jährigen Emmy Rossum in der Rolle der Christine, unverkennbar ihre effiziente Ausbildung an der New Yorker Metropolitan Opera, die sie bereits im zarten Alter von nur sieben Jahren begann. Gerald Butler in der Rolle des Phantoms trainierte seine Stimme heimlich mit der Hilfe des musikalischen Leiters des „Phantoms“, Simon Lee, bevor er sich zum Vorsingen in die Höhle des Löwen Webber traute. Beide überzeugten, und erhielten die begehrten Rollen. Ausschlaggebend war dabei allerdings immer die Meinung Joel Schumachers, der schon einigen bis dahin unbekannten Schauspielern die Chance ihres Lebens gab: Julia Roberts, Demi Moore, Colin Farrell und Rob Lowe erlangten mit ihren Debüts in seinen Filmen Weltruhm.
Auch mit dem „Phantom der Oper“ werden wieder ein paar neue Sterne am Firmament der großen, internationalen Stars das Licht der Welt erblicken!

Was aber ist es, das die Leser, Hörer und Zuschauer dieser außergewöhnlichen Dreiecks-Liebesgeschichte bereits über ein ganzes Jahrhundert lang in seinen Bann schlägt? Der dem Musical zugrunde liegende Roman von Gaston Leroux („Le Fantome de l’Opera) erschien bereits 1917. Die „Belle Epoque“, die Zeit vor dem Französisch-Preußischen Krieg, in dem die französische Gesellschaft schwelgte in Kunst und Kultur, war nur noch ein Schatten der Vergangenheit, aber immer noch spürbar in wenigen, städtischen Elementen wie Oper, Theater oder der ständig wachsenden Welt der Chansons. Die Industrialisierung und der erste Weltkrieg hatten die Illusion der in der Kunst des vorangegangenen Jahrhunderts ausgelebten Emotionen zerstört, aber nicht endgültig zum Verschwinden gebracht. Das Bild einer einzelnen Rose, welches der inzwischen stark gealterte Graf de Chagny am Ende des Films auf dem Grab seiner geliebten Christine erblickt, illustriert nicht nur die nie gestorbene Liebe des Phantoms zu seiner einstigen Muse, sondern auch den unbändigen Überlebenswillen des nicht Gesellschaftskonformen, dem die herrschenden sozialen Schichten ein Dasein im Schatten der Gesellschaft gerade noch gestatten.

Die junge Christine steht für das Weibliche in den Zeiten der frei gelebten Kunst. Eine aufblühende, talentierte junge Frau, ist sie dennoch gefesselt an ihre Vergangenheit, an den Schutz, den sie sich von ihrem Vater auch über dessen Tod hinaus verspricht. Lange dauert es, bis sie endlich erkennt, dass ihr Lehrer und Mentor über die Jahre ihrer Adoleszenz nicht der vom Herrn Papa versprochene, sie begleitende Engel ist, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, den seine äußerliche Hässlichkeit zu einem Leben im Verborgenen verdammte. Und obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem bodenständigen, gesellschaftskonformen und Zukunft versprechenden Grafen liiert ist, erliegt sie doch zeitweise dem Phantom, dem sie ihre gesangliche Ausbildung und Richtung weisenden Impulse für ihre Kunst verdankt. Das Verhältnis von Christine und Phantom ist immer hoch emotional und wird auch im Film so stark stilisiert, dass der Grafendarsteller Patrick Wilson bemerkte, er sei von Eifersucht zerfressen gewesen, als er den Dreharbeiten zur Schlüsselszene zwischen Christine und dem Phantom beiwohnte. In dem Song „Point of no return“ kulminiert das gegenseitige Verlangen zwischen diesen Beiden, deren Gemeinsamkeiten nur in der von beiden gelebten Kreativität und der Liebe zur Musik liegt, denn gegensätzlicher im Äußeren können die hübsche, unschuldige Christine und das mit den Jahren in der Oper gealterte, entstellte Phantom nicht sein. Dennoch entsteht zwischen ihnen durch die Musik ein festes Band, welches erst zerschlagen werden kann, als Christine sich entscheiden muss. Sie wählt die Zukunft an der Seite des Grafen, die ihr ein langes, erfülltes Leben in einer gesicherten Stellung in der Gesellschaft verspricht.
 
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