Größenwahn reloaded
Fortsetzung von Seite 6
alt und niemand wird ihnen mehr zertrümmerte Hotel-zimmer, Bruderstreit
und Drogenskandale abnehmen. Es ist die letzte Chance von Oasis, nicht
als Erfinder einer Frisur, in die Musik-geschichte einzugehen. Der
Blick der Musikpresse ist streng, Oasis müssen jetzt durch Qualität
punkten. Und wer wünscht es ihnen nicht von Herzen, den missmutigen,
großkotzigen, mauligen Gallagher-Brüdern, die so herrlich Rockstar
gespielt haben, und nicht erkannten, wann sie aufhören mussten? Oasis
ist eine feste Größe in der Musikszene geworden, hat Epigonen geschaffen.
Da wäre es doch schade, wenn sie zum musikge-schichtlichen Mythos
würden, anstatt weiter selbst Musik zu machen: das, was sie immer
noch am besten können.
Nicole Neubauer
Foto: Amazon
Mehr über Oasis:
Paolo Hewitt "Oasis"
Hannibal Verlagsgr.KOCH
Erscheinungsdat.: Aug. 1997
ISBN: 3854451458
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CD-Rezension
OASIS "Don´t Believe The Truth"
Gerade noch rechtzeitig vor dem Gespenst "Comeback" melden sich Oasis
wieder mit einem neuen Album zu Wort. Und das zu keinem einfachen
Zeitpunkt: Nach einem langsam verglimmenden Hype-Feuerwerk, in dem
sich Britpop-Epigonen wie die Strokes und die Libertines den Stab
in den Charts in die Hand geben, werden sich Oasis mit "Dont´t Believe
The Truth" automatisch Vergleichen mit ihren Nachfolgern stellen müssen.
Das ist wohl auch der Grund, warum das Album vor allem auf eines setzt:
Kontinuität.
Schon im ersten Song "Turn up the sun"
zeigen Oasis, dass sie auf keinen Fall vorhaben, mit diesem Album
Überraschungen abzuliefern. Es gibt retrospektiven Liverpool-Beat
bis zum Abwinken, lässig, abgeklärt und berechenbar. Nach einem
kurzzeitigen Temperamentsausbruch bei "Mucky Fingers" kehrt bei
"Lyla" wieder das anheimelnde Gefühl ein, jeden Song schon einmal
irgendwo gehört zu haben. Das ist, was Oasis und ihre Vorbilder
angeht, nicht die schlechteste Empfehlung, aber auch Anbiederung
an das Erinnerungsvermögen der Zuschauer. Nun waren Oasis immer
schon eine Zitatband, werden aber im aktuellen Album merklich zum
Selbstzitat.
Und spätestens bei den nächsten Songs hört man nun
doch etwas Neues: Waren Oasis früher "A Hard Day´s Night" so hört
man nun deutlich Klänge von "Sgt. Pepper". Ein deutliches Signal,
dass man sich nun auch erwachsen und abgeklärt präsentieren will,
doch keine sonderlich originelle Idee.
Trotzdem sticht die Hitsingle
"Lyla" farbig aus den anderen Songs heraus. Es ist einer der Songs
auf dem Album, die wirklich modern klingen, satt arrangiert und
so majestätisch cool, dass es den schlecht frisierten Nachfolgerbands
die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte. Das, was "Lyla" verspricht,
kann das Album nicht immer durchhalten. Insgesamt vermisst man neue
musikalische Impulse, gerade bei so vollkommen konventionellen Tracks
wie "The importance of being idle". Das Album enthält viel Füllmaterial
und bei den dürren Gitarrenklängen von "Meaning of Soul" fehlt die
Wärme und die unbändige Energie, die die frühen Oasis noch ausstrahlen,
doch gewaltig. Die leichte Verfremdung von Gallaghers Stimme schafft
bewusste Distanz.
Natürlich kann der Enthusiasmus einer jungen Rockband nicht 10
Jahre lang erhalten werden, doch es fehlt der entscheidende Funke,
der an seine Stelle treten soll. Die Songs sind handwerklich perfekt,
und feine musikalische Ideen stecken im Detail, doch sie fehlen
im großen Wurf.
Kann man das Album empfehlen? Uneingeschränkt wie alles von Oasis. Die Songs
sind so cool, dass sie jede Nudelsalatparty schockfrosten, ehrlich,
arrogant und elegant. Der Funke springt nicht über, aber das beabsichtigen
die Arrangements auch gar nicht, sondern halten bewusst Abstand.
Vielleicht gerade, weil man schon zu viel von Oasis erfahren hat.
Die Wahrheit über dieses Album? Die ist ein weites Feld.
Nicole Neubauer · Foto: Amazon
Label: Hes (Sony BMG) · ASIN: B0009A6CD0
Erscheinungsdatum: 30. Mai 2005
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