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Gesellschaft & Medien 2/9
Januar 2007
Wenn Lassie zur Last wird...
zunächst besser mit einem kleinen, handlichen Tier zurecht kommt. Außerdem braucht es nicht viel Platz und ist scheinbar weniger pflegeaufwändig als etwa ein Hund, der täglich mehrmals Gassi geführt werden muss. Kein Wunder also, dass "Käfigtiere" wie Hamster, Meerschweinchen, Zwergkaninchen oder Vögel als klassische "Anfängertiere" angesehen werden.
Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, es würde so etwas wie "Anfängertiere" geben. Man kann an einem Lebewesen nicht die Tierhaltung "üben". Jeden Fehler im Umgang mit dem Tier büßt dieses mit Schmerz, Vereinsamung oder gar dem Tod.
So sind z.B. Hamster nachtaktive Tiere – sie werden zu einer Zeit munter, in der kleinere Kinder längst schlafen. Werden sie tagsüber geweckt, stört das massiv ihren Biorhythmus. Sie werden krankheitsanfällig und nicht selten wehren sie sich gegen die Störung mit heftigen Bissen. Zudem sind sie von recht zartem Körperbau und für die oft noch ungeschickten Hände kleiner Kinder denkbar ungeeignet.
Besser geeignet erscheinen da auf den ersten Blick Meerschweinchen und Kaninchen. Doch schon taucht das nächste Problem auf. Beide Tierarten sind ausgesprochen gesellig und fühlen sich nur wohl, wenn sie mit mindestens einem Artgenossen, besser jedoch in größeren Gruppen gehalten werden. Das jedoch bringt die Gefahr unkontrollierter Vermehrung mit sich. Viele Tierhalter versuchen dies zu umgehen, indem sie ein Meerschweinchen und ein Kaninchen gemeinsam halten. Sie glauben, damit das Bedürfnis der Tiere nach einem Kameraden erfüllt zu haben, ohne sich Gedanken um unerwünschten Nachwuchs machen zu müssen. Kaninchen und Meerschweinchen sind aber nun einmal völlig verschiedene Arten, die keine gemeinsame "Sprache" sprechen und im Grunde genommen nichts miteinander anfangen können. Im günstigsten Fall bildet sich ein friedliches Nebeneinander – einen Artgenossen aber ersetzt diese Haltung in keinem Fall.
Bei Kaninchen kommt erschwerend hinzu, dass diese eigentlich gar keine geeigneten Käfigtiere sind. Wer sie artgerecht halten und ihnen ein wirklich schönes Leben ermöglichen möchte, muss für ausreichenden Auslauf sorgen. In einer Wohnung ist das kaum zu verwirklichen – zu groß sind die Gefahren, die dort lauern. Unzählige Kaninchen haben ihr Nagebedürfnis schon mit dem Leben bezahlt, weil sie in einem unbeobachteten Moment ein Stromkabel angeknabbert haben. Die wenigstens Kaninchen werden darüber hinaus stubenrein, und nicht jeder findet es angenehm, überall in der Wohnung die Kötel verteilt zu finden. Spätestens, wenn das Kaninchen am neuen Sofa oder den antiken Möbeln seine Zähne ausprobiert, landet es für den Rest seines Lebens in einem engen Käfig.
Ein ähnliches Problem tritt bei der Haltung von Stubenvöglen auf. Zu den beliebtesten Vögeln gehören
die Papageienarten – angefangen bei den Wellensittischen über die Nymphensittiche bis hin zu den Großpapageien.
Ausnahmslos alle Papageienvögel sind Gesellschaftstiere. Sie einzeln zu halten erfüllt den Tatbestand der Tierquälerei! Selbst wer ein Vogelleben lang Tag für Tag 24 Stunden lang für seinen Vogel da ist (und wer ist das schon?), kann ihm den Artgenossen nicht ersetzen. Solche Vögel, auf deren "Zahmheit" die Besitzer oft auch noch stolz sind, sind in Wirklichkeit ganz arme Kreaturen. In dem verzweifelten Bedürfnis, sich einen Partner zu suchen, balzen sie ihren Besitzer an – was der dann als "niedliches Küsschengeben" missversteht. Bei diesen Balzversuchen würgen vor allem Wellensittiche immer wieder Nahrung hoch, weil sie unter natürlichen Bedingungen ihren Partner damit füttern. Dies kann der Vogel aber mit seinem menschlichen "Partner" nicht durchführen. Das Ergebnis: die Nahrung bleibt zu lange im Kropf und es kommt zu lebensbedrohlichen Kropfentzündungen. Gleiches passiert, wenn der Vogel sein Spiegelbild anbalzt, denn viele Sittichhalter hängen ihrem Liebling einen Spiegel als "Partnerersatz" in den Käfig. Größere Papageien neigen bei Vereinsamung dazu, sich die Federn auszurupfen – das kann bis hin zum Kannibalismus gehen, d.h. die Tiere verstümmeln sich aus Verzweiflung selbst. Häufig werden sie aggressiv. Unansehlich geworden, werden sie dann in eine Ecke gestellt und fristen ein erbärmliches Leben, bei dem der Tod eine Erlösung darstellt.
Papageienvögel dürfen niemals einzeln gehalten werden! Aber damit sind ihre Bedürfnisse nach artgerechter Haltung noch lange nicht erfüllt. Obwohl diese Vögel gerne und viel klettern, sind die meisten von ihnen auch hervorragende Flieger. Das gilt insbesondere für Wellensittiche und Nymphensittiche. Zur richtigen Haltung gehört also auch unbedingt ausreichender Freiflug. Mindestens zwei Stunden pro Tag sollten die Tiere frei fliegen dürfen. Aber auch hier gilt, dass dabei in einer Wohnung viele Gefahren lauern. Die Vögel können mit ihren Krallen in Gardinen oder Teppichen hängen bleiben und sich beim Befreiungsversuch die Beine ausreißen. Viele Vögel haben sich schwere Verbrennungen zugefügt, weil sie auf heißen Herdplatten landeten. Und gerade auch den knabberfreudigen und neugierigen Papageienvögel werden immer wieder Stromkabel oder ungenießbares Essen zum Verhängnis.
Im Grunde genommen ist artgerechte Vogelhaltung – und das gilt für alle Vogelarten – nur in großen Volieren möglich. Die handelsüblichen Käfige sind nichts anderes als Gefängniszellen, allenfalls geeignet für den Transport zum Tierarzt. Zumal sie auch meistens noch vollkommen unzureichend ausgestattet sind. Die sowieso schon eingeschränkten Flugmöglichkeiten werden noch durch zu viele und falsch angeordnete Sitzstangen und unsinniges "Spielzeug" weiter verkleinert. Sitzstangen unterschiedlichen Durchmessers, welche Sohlengeschwüre verhindern, sind meist Fehlanzeige.
 
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