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Gesellschaft & Medien 5/6
Juni 2007
Manipulation
Unser Weltbild wird von den Medien geprägt. In den Nachrichten wird uns vorgegeben, wer "böse" und wer "gut" ist. Alleine durch die Wortwahl ist erkennbar, wer der "Schuldige" ist und wer "Opfer" ist. Die Guten beispielweise warnen, die Bösen drohen. Es wird Angst und Unsicherheit erzeugt.
Anfangs sind es Fragen und Fragen verunsichern. Warum steigt die Rate der Jugendkriminalität? Woher kommt die steigende Gewaltbereitschaft? Sind Video-/PC-Spiele Ursache der Gewalt? Oft ist die erwartete Antwort bereits in der Frage enthalten. Später wird die Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens, einer Idee, einer Menschengruppe oder Vereinigung behauptet. Es wird mit Statistiken oder Umfragen versucht diese Theorien zu bestätigen und zu unterstützen. Oder es wird Eifersucht produziert. Dabei wird eine Person als nicht würdig dargestellt, als hätte sie den Sieg nicht verdient oder die Anerkennung oder das Vermögen. Die Bevölkerung fragt sich dann, warum diese Person jetzt etwas Besseres sein soll, warum sie selbst im Leben um alles kämpfen müssen und diese Person nach ihrer Ansicht alles auf dem Silbertablett erhält? Es wird Polarisation geschaffen, um so die Einschaltquoten und Auflagen zu erhöhen, denn so ist garantiert, dass die Sendung oder die Zeitung sowohl von den Gegnern als auch von den Verfechtern gesehen bzw. erworben wird. Die Person erhält negative Schlagzeilen und wird mit negativen Geschehnissen in Verbindung gebracht oder verspottet, Fehler werden extrem, spöttisch und abweisend dargestellt, tituliert. So assoziiert der Zuschauer/Leser jedes Mal, wenn er den Namen negative Gefühle. Die Antipathie wurde erschaffen.
Und dann gibt es natürlich auch die entgegengesetzte Richtung, die Sympathie. Menschen haben eine höhere Bereitschaft, sich von jemandem überzeugen zu lassen, den sie kennen und sympathisch finden. Eine große Rolle bei der Sympathie ist auch das äußerliche Aussehen, dass wie viele Forschungsergebnisse gezeigt haben, soziale Vorteile mit sich bringt. Sympathisch sind uns auch Menschen, die uns ähnlich sind, unabhängig davon, ob die Ähnlichkeit im Bereich von Meinungen, Charaktereigenschaft, Herkunft oder Lebensstil besteht. Untersuchungen haben ergeben, dass wir z.B. hilfsbereiter gegenüber Menschen sind, die ähnlich wie wir gekleidet sind.
Ein weiterer sympathiefördernder Faktor ist Lob und Anerkennung. Wir haben alle eine phänomenale Schwäche für Schmeicheleien. Zwar hat unsere Gutgläubigkeit ihre Grenzen, insbesondere wenn uns bewusst wird, dass der Schmeichler es darauf anlegt uns zu manipulieren, aber in der Regel glauben wir denen, die ein Loblied auf uns anstimmen und sympathisieren mit ihnen, auch wenn es nicht immer ganz echt ist. Vertrautes wirkt ebenfalls sympathisch. Wir mögen das, was wir kennen. Beispielweise finden wir oft Fotos von uns unangenehm, nicht attraktiv genug, denn wir sind unser Spiegelbild gewohnt, es ist uns vertraut.
"Die Experten"
Auch die Macht der Autorität ist bei der Manipulation nicht zu unterschätzen. Die Menschen neigen oft eher dazu auf Meinungen zu vertrauen, die von einer Person mit einem Namenstitel abgegeben wurde, den sogenannten "Experten". Auch ein weißer Kittel kann Autorität und Respekt ausstrahlen, weil die Menschen schon als Kinder dieses Kleidungsstück mit "Dr." in Verbindung bringen. Beispielsweise gibt es eine Werbung für ein Reinigungsmittel, das von einem Mann im weißen Kittel präsentiert wird. Bei der Werbung wird nicht gesagt, dass die Person ein Forscher ist, doch die Zuschauer schließen daraus einen "Experten" zu sehen, der das Produkt ausgiebig erforscht hat.
Wie manipulierend Autorität sein kann zeigt uns das Experiment vom Psychologieprofessor Milgram (1974). Mehreren Testpersonen wurde gesagt, dass es bei dem Experiment, an dem sie teilnahmen, darum ging herauszufinden, welchen Einfluss Bestrafung auf die Lern- und Gedächtnisleistungen habe. Daher bekam ein Teilnehmer die Aufgabe, eine lange Liste von Wortpaaren auswendig zu lernen. Er erhielt die Rolle des "Schülers". Der "Lehrer" musste dann später diese Liste durch Abfragen überprüfen. Bei jedem Fehler, den der "Schüler" machte, musste mit Elektroschocks bestraft werden. Der "Schüler" (ein Schauspieler und im tatsächlichen Experiment eingeweiht) wurde an einen Stuhl festgeschnallt. Unter den Augen des "Lehrers" wurden dabei Elektroden am Arm befestigt. Während des Experimentes stiegen auch die Voltzahlen, mit denen die Elektroschocks verursacht wurden. Angefangen wurde bei 15 Volt, was sich rasch auf 75 V, 90 V, 105 V steigerte. Das geschah unter Beaufsichtigung und Anleitung der Versuchsleitung, die, falls der "Lehrer" stockte, immer wieder aufforderte weiterzumachen. Und das ausschließlich mit Sätzen wie: "Bitte, fahren Sie fort!", "Bitte machen Sie weiter!", "Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!", "Sie müssen unbedingt weitermachen!" oder auch "Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!" In der Versuchsreihe waren 62,5 % der Versuchspersonen bereit, den "Schüler" mit einem tödlichen elektrischen Schlag von maximal 450 Volt zu "bestrafen".
Nicht nur Uniformen strahlen Autorität aus, auch ein "feiner" Anzug kann "Folgsamkeit" hervorrufen. Stilvolle und teure Kleidung verbreitet eine Aura von Status und Rang, wie auch andere Luxusartikel, beispielweise Schmuck und Nobelautos. In San Francisco wurde eine Studie durchgeführt, wobei verschiedene Autos vor einer grünen Ampel zum Stehen gebracht wurden. Das Ergebnis war, dass bei teuren, neuen Autos wesentlich länger gewartet wurde, bevor man die Hupe betätigte, als bei einem älteren, kleineren Auto. Manipulation existiert nicht nur in der Politik, beim Verkauf, in den Medien, sondern auch in der Familie, wie ich bereits erwähnt habe. In der nächsten IE wird dann umfassender über dieses Thema berichtet.
Text: Vassiliki Michalowski
Quellennachweis: Robert B. Cialdini "Die Psychologie des Überzeugens" · Robert Levine "Die große Verführung" · Heiner Hering "Versklavte Gehirne" · www.wikipedia.de
 
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