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Gesellschaft & Medien 4/6
Juni 2007
Manipulation
den Fenstern ihrer Wohnungen aus beobachtet, ohne zu helfen und die Polizei anzurufen. Die Mordzeugen konnten später nicht erklären, warum sie so reagiert haben. Antworten waren in etwa "ich weiß nicht", "Angst gehabt" und "mit der Sache nichts zu tun haben wollen". Die bisherigen Darstellungen des Falls hatten allesamt darauf hingewiesen, dass niemand etwas unternommen hat, obwohl 38 Personen zugeschaut hatten. Latanè und Darley behaupteten nun, dass niemand helfend eingegriffen hatte, weil es so viele Beobachter gegeben hatte.
Die Psychologen stellten die Theorie auf, dass es mindestens zwei Gründe gibt, warum ein Zeuge eines Notfalls mit geringerer Wahrscheinlichkeit Beistand leistet, wenn noch andere Zeugen anwesend sind. Der erste Grund ist, dass wenn mehrere potenzielle Helfer vorhanden sind, sich die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen von ihnen verringert. Der zweite Grund beruht auf dem Prinzip der sozialen Bewährtheit und dem Effekt des kollektiven "Nichtsehen – Wollens". Sehr oft ist eine Notlage nicht eindeutig erkennbar. Solche Unsicherheiten führen dazu, dass man sich an einem Mitmenschen orientiert und auf seine Reaktionen achtet, um rauszufinden, ob ein Notfall vorliegt. Dabei wird jedoch leicht übersehen, dass auch die anderen Beobachter sich an den anderen orientieren. Es könnte also sein, dass jemand, der in einer Notsituation Hilfe benötigt eine größere Chance hat heil herauszukommen, wenn nur ein Zeuge anstatt viele Zeugen vorhanden ist.
4. Netz aus gegenseitiger Dankesschuld.
Wir erleben oft im Kaufhaus, dass wir von den Mitarbeitern ein Probierpäckchen von einem Produkt erhalten oder wie oft haben wir schon diese Probierstände in den verschiedenen Märkten gesehen und getestet. Auf der Straße erhalten wir Blumen von Sekten. Durch diese Geschenke fühlt sich der Mensch verpflichtet etwas zu kaufen oder zu spenden. Dieses "sich verpflichtet fühlen" ist in jeder Art von Gesellschaft vorhanden. Für den Archäologen Richard Leaky stellt dieses System die Grundlage für unser Menschsein dar. Er stellt die Behauptung auf, dass wir sind, was wir sind, weil unsere Vorfahren gelernt haben, ihre Nahrung und Fähigkeiten miteinander zu teilen.
Kulturanthropologen sehen in diesem "Netz aus gegenseitiger Dankesschuld" einen einzigartigen Anpassungsmechanismus des Menschen und die Grundlagen für Arbeitseinteilung, den Austausch verschiedener Güter und Dienstleistungen sowie das Entstehen von Interdependenzen, welche Individuen zu hocheffizienten Gruppen zusammenführen (Ridley 1997, Tiger & Fox 1989). Es ist dieses Gefühl, dem anderen in Zukunft verpflichtet zu sein, das entscheidend zu den sozialen Fortschritten beigetragen hat, wie sie von Tiger und Fox beschrieben wurden. Ein von vielen geteiltes und starkes Gefühl des "Verpflichtetseins" hat die Sozialevolution der Menschheit maßgeblich beeinflusst, da es dazu geführt hat, dass eine Person einer anderen
etwas (z.B. Nahrung, Energie, Zuwendung) schenken konnte in der Zuversicht, dass das Geschenk für sie nicht verloren ging.
5. Knappheit
Kurz vor Weihnachten bringen Spielzeughersteller neue Produkte auf den Markt und durch gezielte Werbung wird dann dieses Produkt schmackhaft gemacht. Oft ist es so, dass jedoch nur eine geringe Menge von diesem Spielzeug hergestellt wird. Kinder wünschen sich das von ihren Eltern, doch die Liefertermine sind dann oft nach Weihnachten. Sie fragen sich: "Zufall?". Nein, da das Produkt nicht für den gewünschten Tag lieferbar ist, versprechen die Eltern, es dem Kind nach Weihnachten zu schenken, brauchen jedoch eine Art Ersatz für den Feiertag. Und so werden zwei Produkte gekauft.
Medien prägen Meinungen, hetzen Gruppen gegeneinander auf, steuern Antipathie und Sympathie. Wie bereits erwähnt geschieht Manipulation jedoch nicht nur im Konsumbereich, sondern auch in der Politik, in der Familie, in der Schule usw. Medien sind große Manipulatoren, früher galten Medien größtenteils als Informationsquellen, heutzutage dienen Medien oft zur Manipulation, um Produkte zu verkaufen, mehr Kunden zu werben, um Meinungen bzw. Einstellungen zu prägen - und hierbei ist nicht nur politische Propaganda gemeint. Vorurteile werden geschaffen, Hetzkampagnen gestartet, Streitigkeiten provoziert, wie z.B. zwischen junger und alter Generation wegen der Rentenreform. Der ältere Mitbürger wird hierbei als Schnorrer dargestellt, der nicht arbeitet, aber Geld erhält. Nicht erwähnt wird hierbei, dass dieser jahrelang in die Rentenkasse eingezahlt hat. Oder Nichtraucher gegen Raucher: Der Raucher wird hierbei als Sündenbock dargestellt, er wird dargestellt, als würde er jede Gelegenheit nutzen, den "armen" Nichtraucher zuzuqualmen. Das erklärt auch die Diskussion über das Rauchverbot im eigenen Auto. Es wird dabei aber nicht verdeutlicht, dass es sich hier um eine Sucht handelt. Oder auch die Hetze zwischen berufstätiger und arbeitsloser Bevölkerung. In den Medien wird es so dargestellt, als ob die arbeitslose Bevölkerung sich an den arbeitstätigen Menschen bereichert. Oft wird nicht erwähnt, dass die meisten keine Stelle finden, obwohl sie verzweifelt suchen und dass einige, während sie berufstätig waren, mehrere Jahre in die Arbeitslosenkasse eingezahlt haben, davon jedoch nur ein Jahr ausgezahlt bekommen haben. Die Hetze geht so weit, dass angebliche Reality-Berichte gezeigt werden, wo Mitarbeiter des Sozialamtes Menschen aufspüren wollen, die sich an Hartz IV angeblich bereichern. Die Kamera ist hierbei ständiger Begleiter. Bei diesen Berichten sollte man an den Filmemacher Michael Born zurückdenken. Es war eine unrühmliche Karriere, die im Dezember 1996 mit einem Schuldspruch endete: Er wurde wegen zahlreicher Lügengeschichten zu vier Jahren Haft verurteilt. Er verkaufte an verschiedene Sender Berichte, die Quoten versprachen, darunter Stern TV, Spiegel-TV, WDR, das Fernsehmagazin der Süddeutschen Zeitung (Udo Ulfkotte "So lügen Journalisten").
 
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