IE: Würden Sie unseren Lesern Ihre Firma kurz vorstellen, z. B. wie viele Mitarbeiter Sie haben, seit wann es die Firma gibt und wo die Schwerpunkte Ihrer Produktionen liegen.
Martin Müller: rcntv wurde von mir 2001 gegründet, ich selbst bin seit 1989 in der Musikindustrie in verschiedenen Bereichen tätig gewesen. Fest angestellt sind 5 Mitarbeiter, dazu kommen permanent 3 freie Mitarbeiter in der Post und in der Aufnahme plus abhängig von der Dimension der jeweiligen Projekte bis zu 25 weitere freie Mitarbeiter. Im Bereich Rock sind wir in Deutschland unter den Top 3 DVD-Companies.
IE: Können Sie uns im groben Rahmen die einzelnen Produktionsstationen darstellen, die eine DVD durchläuft, bis das Ergebnis so hochwertig aussieht, wie man es von Ihren Produktionen gewohnt ist?
Martin Müller: Am Anfang steht immer ein Gespräch mit dem Künstler, um ein Gefühl für die Person und seine audiovisuellen Vorlieben zu bekommen. Sobald Budget, künstlerische Ausrichtung (entscheidend für Drehbuch und Regie) und Location stehen, werden darauf abgestimmt Personal und Technik gewählt. Bei einem Künstler wie aktuell Schiller unterscheiden sich diese Faktoren von einem Künstler wie Helloween oder eben Daniel Küblböck teils erheblich. Nach der Aufzeichnung wird schnellstmöglich ein Video Rough Cut, ein grober Vorschnitt also, erstellt. Dieser dient dem Toningenieur als kleiner visueller Anhaltspunkt dafür, wie die aufgezeichneten Audiospuren abhängig von der Aktion auf der Bühne zueinander gemischt werden. Bei einer Live-CD ist dies nicht notwendig, da es kein Bild gibt. Bei einer DVD ist es unerlässlich, damit Bild- und Höreindruck zueinander passen. Dieser Rough Audiomix wiederum wird dem Bild unterlegt und gibt eine Art verbindliche Timeline für den weiteren Videoschnitt vor. Sobald Bild und Ton final geschnitten bzw. gemischt sind, wird beides synchron zusammengefügt. Danach, teilweise auch parallel, beginnt das sog. Compositing, d.h. die inhaltliche und grafische Zusammenstellung der sog. Benutzeroberflächen der DVD (nicht des Booklets; dies ist nicht Bestandteil unserer Arbeit). Die fertigen Video- und Tonspuren werden nun eingebunden und so mit Markern versehen programmiert, dass der Zuschauer zuhause mit seiner Fernbedienung im Menü navigieren kann. Ist alles fertig, erfolgt eine Prüfung im Simulator und an den gängigsten 10 DVD-Playern der letzten 3 Jahre. Auftretende Probleme werden korrigiert und erst bei Fehlerfreiheit wird der sog. Produktionsmaster ausgespielt. Von diesem wird im Presswerk ein Glasmaster als Vorlage für alle anderen DVDs erstellt.
IE: Was ist beim Filmen eines Open-Air-Konzertes anders als beim Filmen eines Saalkonzertes?
Martin Müller: Größtes Sorgenkind ist das Wetter. Starkregen kann z.B. dazu führen, dass eine Aufzeichnung unterbrochen werden muss, weil die sich
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weiter hinten im Publikumsraum befindlichen Kameras aufgrund der Wassermengen schlicht kein verwertbares Bild mehr einfangen können. Auch Stromausfälle oder Tropf-/Kondenswasser stellen ein manchmal nicht mehr beherrschbares Problem dar. Sollte starker Wind herrschen, beeinträchtigt dies die Einsetzbarkeit spezieller Kamerasysteme wie z.B. den Kran oder aber auch die Tonaufzeichnung, speziell die sog. Ambiences (Publikumsklatschen etc.). Aufnahmen im Saal sind von der Umgebung her immer klar definiert und damit vollständig beherrschbar. Aufnahmen im Freien sind immer zu einem gewissen Teil ein Glücksspiel.
IE: Wenn ein Konzert gefilmt wird, wird da vorher auch sowas wie ein "Storyboard" geschrieben, bzw. vorher genau abgestimmt was wann passiert, damit die Kameramänner wissen, wann und wohin sie filmen sollen?
Martin Müller: Als Regisseur sehe ich mir vor jeder Aufzeichnung ein Konzert aus der laufenden Tourneereihe an. Bei „einfachen“ Acts, die ohne aufwändige Licht- oder Stageshow fahren, genügen Notizen zu den einzelnen Songs. Bei hochkomplexen Künstlern wird ein Konzert mit einer sog. Totalenkamera vorab aufgezeichnet und timecodegenau ausgewertet. Hier wird dann auch ein Drehbuch geschrieben, in dem genau steht, welche Aktion zu welcher Sekunde auf der Bühne stattfindet. Über die Regieanweisung erfahren die Kameraleute dann mit einem Vorlauf von max. 5 Sekunden welche Einstellung von Ihnen zu welcher Aktion auf der Bühne erwartet wird.
IE: Wird hinterher mit dem Auftraggeber abgestimmt, welche Szenen für die DVD verwendet werden, oder entscheidet das jemand von der Produktion (Regisseur)?
Martin Müller: Der Vorschnitt wird ausschließlich vom Cutter in Absprache mit dem Regisseur angefertigt, der ja aufgrund der Vorgespräche mit dem Künstler weiß, wohin die Reise gehen soll. Der Vorschnitt dient als Grundlage für eine erste Schnittbesprechung mit dem Künstler. Danach erfolgt der erste Feinschnitt in engerer Abstimmung mit dem Regisseur. Im letzten Schritt, dem Final Cut, kommt der Künstler ins Schnittstudio und verfolgt die Arbeiten am Schnittsystem mit. Je nach Anspruch und Detailliebe bleiben die Künstler zwischen 3 und 8 Tagen.
IE: Welche Ihrer bisher produzierten DVDs betrachten Sie selbst als Ihre beste Umsetzung hinsichtlich Künstler und künstlerischem Anspruch an die Produktion?
Martin Müller: Ganz klar die aktuelle Schiller DVD „Sehnsucht live“, die u.a. VIVA eine spontane Ausstrahlung des Konzertes auf der DVD wert war und die bereits jetzt für einen sehr wichtigen Preis in der Branche vornominiert ist.
Fortsetzung
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