Schwarze Pädagogik Teil 3
Fortsetzung von Seite 5
abgeschlossen und eine bedeutende Magisterarbeit abgeliefert
hatte und immer davon träumte, zu schreiben, verdient seine Brötchen
mit dem Vermarkten von Autoren. Er macht eine Menge Geld damit,
lässt seine Kontakte spielen, kümmert sich um gute Abschlüsse.
Den Mut, sich einfach hinzusetzen und sein eigenes Buch zu schreiben,
hat er nicht. Viele angehende Studenten besonders der musischen
Fächer entscheiden sich für ein Lehramtsstudium statt des Magisters,
damit sie später finanziell abgesichert sind. Kaum einer trägt
im Hauptstudium noch die Hoffnung in sich, einmal allein von seiner
Kunst und Kreativität leben zu können. Wie auch – diesen Glauben
bestätigt keiner.
Kennzeichnend für unsere Gesellschaftsform ist also zusammenfassend
gesagt ein Dualismus von schwarz und weiß. Wir empfinden Dinge
entweder als „gut“ oder als „schlecht“. Die Farbtöne dazwischen
scheinen nicht existent zu sein. Woraus sich ergibt, dass wir
das, was anders ist als das, was wir als „gut“ bzw. „weiß“ schätzen
zu lernen, mit allen Mitteln bekämpfen müssen, weil es uns Angst
macht. Natürlich würden wir dies niemals zugeben! Und eben weil
wir uns von so vielen inneren Gefühlen abgetrennt haben, können
wir heute nur noch wenig mit Begriffen wie „Intuition“ oder „innerer
Verbundenheit“ anfangen, die sich ja nicht rational begreifen
oder erklären lassen. Der Verstand regiert das Gefühl, denn alles
andere würde die völlige Abkehr von dem, was uns am Leben erhält,
bedeuten.
Durchaus umstrittene Theorien besagen, dass diese Ansichten nicht
immer das gesellschaftliche Miteinander der Menschen bestimmten.
Diese Theorien benennen die letzten zweitausend Jahre der menschlichen
Entwicklung als „patriarchal“, d.h. als durch „männliche“ Elemente
kontrolliert. Ausgehend von der These, dass der Ursprung menschlichen
Miteinanders in einer „weiblichen“ Form vonstatten ging, in der
dem Miteinander, der Gleichheit und der Fürsorge mehr Rechnung
getragen wurde und in der die soziale (also gesellschaftliche)
Verantwortung mehr im Vordergrund stand, beschreiben diese Theorien
einen Wandel zu dem Zeitpunkt, als die Männer erkannten, dass
sie sehr wohl eine Rolle im Zeugungsprozess der Kinder spielten.
Dies geschah zeitgleich mit dem Übergang
von umherwandernden Völkern hin zu sesshaften Ackerbauern, die ihren
Besitz gegenüber ihrem Nächsten verteidigen mussten. Dieser Wandel
setzte die Stärkung der „männlichen“ Elemente wie rationales Denken,
Konkurrenzverhalten und hierarchisches Denken voraus, um in den
neuen Strukturen bestehen zu können. Zum ersten Mal in der menschlichen
Geschichte wurde dies verknüpft mit der Vorherrschaft männlich-körperlicher
Überlegenheit über geistig-emotionalen (also eher weiblichen) Empfindungen.
(In den Literaturhinweisen wird auf lesbare Bücher zu dieser Thematik hingewiesen
für alle, die sich mit diesen Theorien näher beschäftigen möchten.)
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Wie beim chinesischen Yin und Yang, die
sich beide gegenseitig bedingen, kann eine gesunde Gesellschaft jedoch
nur bestehen, wenn sie sowohl die weiblichen als auch die männlichen
Prinzipien in sich vereint. Wir brauchen sowohl die männlich-rationalen
Gedankengänge als auch die weiblich-intuitiven, um nicht nur
die Weiterentwicklung jedes Einzelnen in unserer Gemeinschaft, sondern
auch das Fortkommen der Menschheit im Allgemeinen positiv zu gestalten.
Nur, wenn das Zulassen von inneren Ängsten,
Wünschen und Gefühlen genauso normal empfunden wird wie
das rationale Abwägen von Für und Wider, nur wenn sich
die Ratio mit dem emotionalen Empfinden abspricht, hat die Gesellschaft
eine Chance, sich hinzuentwickeln zu einem Zustand, der dem einzelnen
Individuum die Möglichkeit gibt, seine ureigene Bestimmung
zu finden. Und die Gesellschaft, die sich nicht mehr mit Schattenprojektionen
oder aus fehlgeleiteten Gefühlen entstandenen Ablehnungs-haltungen
zufrieden geben muss, kann endlich gesunden und die Künste,
Fähigkeiten oder auch die Kreativität anerkennen, die
vielleicht nicht allen seinen Angehörigen gegeben wurde, die
aber doch zur Entfaltung und zum Nutzen aller verwendet werden können.
Corinna Kahl
Fotos: Corinna Kahl
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