Ellenbogen statt positiver Energie
Es gibt Fans, die sich nicht stundenlang für ein Daniel-Konzert anstellen möchten
- ich bin einer davon. Es würde mir keinen Spaß machen und auf den
Kampf um die erste Reihe habe ich sowieso keine Lust. Ich möchte
ein Daniel-Konzert genießen.
Bisher habe ich damit gute Erfahrungen
gemacht - Daniel hat eine sehr gute, kräftige Stimme und eine wahnsinnige
Ausstrahlung, die auch mich immer erreicht - und das, obwohl ich
ihn bei keinem seiner Konzerte aus der Nähe gesehen habe.
Und dieses Mal?
Gegen 19 Uhr erreichen mein Mann und
ich das Veran-staltungslokal in München. Abgeschreckt durch die
un-geordneten, sich hin und her schiebenden Menschen-massen, die
erbosten Rufe der Fans und die strengen Anordnungen der Security,
beschließen wir, noch einen kleinen Spaziergang zu machen und etwas
später wieder vorbei zu schauen. Doch auch um 19.30 Uhr stehen die
Fans noch fast bis zur Straße. Gedrängelt wird jetzt nicht mehr.
Wir stellen uns an.
15 Minuten vor dem offiziellem Veranstaltungsbeginn haben wir noch
nicht einmal die Hälfte des Weges bis zum Eingang zurück gelegt.
Es gelingt mir, meinen Mantel an der Garderobe abzugeben. Trotzdem
muss ich an-schließend noch weitere 20 Minuten im Freien verbringen.
Da ich noch einen warmen Pulli anhabe, ist das nicht so schlimm,
aber mir tut jeder leid, der spärlicher bekleidet ist als ich.
Kurz nach 20 Uhr schiebt mich endlich ein Security-Mann in den überfüllten Saal - meine Eintrittskarte
interessiert ihn gar nicht. Glücklicherweise hat das Konzert noch
nicht begonnen. Die Menschen stehen bis zur Tür. Einige haben bereits
Rampen erklommen um besser sehen zu können - leider ist so ein Platz
nicht mehr frei.
Wir schlängeln uns in den Raum und finden schließlich eine kleine
Lücke im hinteren Teil des Saales. Von der angekündigten "schnuckeligen"
Atmosphäre merkt man hier nichts - es ist eng und stickig. Die Sicht
auf die Bühne ist von hier aus sehr schlecht. Trotz meiner Körpergröße
von 1,73 m kann ich fast nichts sehen. Als Daniel die Bühne betritt,
bricht frenetischer Applaus aus. Ich klatsche mit und stelle mich
auf die Zehenspitzen, um wenigstens einmal einen Blick auf ihn erhaschen
zu können. Mit der Zeit wird das anstrengend.
Ich liebe Daniels neue Musik. "Liebe Nation" ist
für mich sein bestes Album. Ich habe es schon sehr oft angehört.
Deswegen fällt mir auch auf, wie schlecht der Sound im hinteren
Teil des Saales ist.
Hinzu kommt, dass man heute auch weiter hinten
vor Dränglern nicht geschützt ist. Eine Frau fällt mir freudestrahlend
um den Hals - ich wundere mich darüber, da sie mir völlig unbekannt
ist. Als sie dann einige Reihen vor mir wieder auftaucht, verstehe
ich ihre wahre Absicht.
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So kann man es natürlich auch machen. Mein
Mann verläßt für einige Lieder den Saal, da er die stickige Luft
nicht verträgt.
Daniel ist gut - und trotzdem will
der Funke heute zum ersten Mal nicht richtig über-springen. Der
volle Umfang seiner Stimme und seine Ausstrahlung bleiben denjenigen
vorbe-halten, die weiter vorne stehen.
Ich wundere mich, dass es Menschen gibt, die keinerlei körperliche
Distanz zu anderen einhalten, um den Preis, sich einige Zentimeter
weiter nach vorne schieben zu können. Das ist keine typische Danielfan-Erscheinung
- stressig ist es aber trotzdem.
Daniel erzählt Witze. "Ja, ja",
sagt er, "wir sind eine esoterische Gemeinde - und wir lieben uns
alle". Für mein Verständnis meint er das ironisch - deswegen muss
ich grinsen. Von "Liebe" ist hier nun wirklich nicht viel zu spüren
- der Ellenbogen, der mir gerade in die Seite gerammt wird, tut
ziemlich weh! Daniel singt "Rebell" zum zweiten Mal - es ist eines
meiner Lieblingslieder. Genießen kann ich es nicht. Einige "Damen"
drängen sich, Polonaise tanzend, an mir vorbei - bald wird es die
Autogrammstunde geben. Zum Glück ist mein Vordermann standhafter
als ich - er läßt die "Damen" nicht durch.
Auf die Autogrammstunde verzichte ich - ich rechne mir von meinem Platz aus keine großen
Chancen aus. Noch im lange anhaltenden Abschlussapplaus beeile ich
mich, den Saal zu verlassen. Wenigstens meinen Mantel möchte ich
stressfrei zurück haben.
Die Securities vor der Halle lassen sich
negativ über Daniels Fans aus - das gefällt mir nicht. Allerdings
werde ich von ihnen mit keinem abfälligen Wort bedacht.
FAZIT:
Ich freue mich für Daniel, dass so viele Menschen sein Konzert besucht
haben. Er hat das wirklich verdient, denn er ist ein sehr großes Talent.
Ich persönlich habe jedoch schon schönere und entspanntere Daniel-Konzerte erlebt.
Susanne Schulz-Bouchir
Foto: Anke von Maydell-Nelius
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