zurück zur Startseite
Gesellschaft & Medien 2/9
August 2004
Daniel, Harry und die Macht der Medien
Erschreckender Höhepunkt solch geistiger Entgleisungen war sicherlich Bernhard Fückels Artikel zum Silly Chicken Award auf der Homepage von bizarre-radio.de (31.07.03), in welchem er noch einmal die Tötung eines jungen Mädchens aufgriff, das sich von seinem Freund getrennt hatte. Weil das Opfer u.a. auch ein Daniel-Poster besaß, kolportierten die Medien, der junge Mann hätte seine Freundin aus Eifersucht auf Daniel erschossen. Fückel schrieb dazu: „Wieso so inkonsequent? Der ehrlich eifersüchtige Mann rächt sich doch auch an seinem Konkurrenten! Damit wäre die Sorge um Daniels Karriere beendet gewesen.“

Hier wurde wirklich jede Grenze überschritten, kam diese Aussage doch indirekt einer Aufforderung zur Tötung Daniels gleich. Es sei angemerkt, dass es auf diesen Artikel hin zahlreiche Protestschreiben zu Recht empörter Leser gab – aber auch vielfältige Zustimmung...

Bedingungsloser Rock’n’Roller
Wer die Medienberichte über Daniel von Beginn der DSDS-Zeit an verfolgte, konnte einen merkwürdigen Wandel der Berichterstattung verfolgen. Wurde Daniel zu Anfang noch als lustiger, bunter Paradiesvogel - mit durchaus liebevollem Unterton - bezeichnet, wandelte sich bereits im Laufe der Casting-Show der Tonfall. Mehr und mehr rückte seine sexuelle Orientierung in den Mittelpunkt und gab Anlass zu zahlreichen wüsten Beschimpfungen. Da der „aufgeklärte, moderne“ Bürger sich aber natürlich nicht nachsagen lassen möchte, er wäre verklemmt und hätte daher Probleme mit allem, was außerhalb der als „normal“ empfundenen Heterosexualität liegt, mussten andere Argumente herhalten, um die vehemente Abneigung zu begründen.

Bezeichnete das Musikmagazin rolling stone im Januar 2003 Daniel noch als „bedingungslosen Rock’n’Roller“, der „wie der frühe Paul Simon zur Gitarre sang“, über eine „radikale Andersartigkeit verbunden mit Wahnsinnstalent“ und ein „absolutes Popgespür“ verfüge und ein „sehenswertes Experiment“ sei, „das zeigt, wie ein Originalgenie in einer Umwelt überlebt, die strikt nach Gesetzen des Massengeschmacks organisiert ist“ (Nr. 01/03), so war wenige Wochen später in den meisten Medien nur noch vom „quäkenden Frosch“ die Rede.

Da wohl kaum anzunehmen ist, dass Daniel plötzlich das Singen verlernt hatte, ihm im Gegenteil sogar wiederholt bescheinigt wurde, schnell und viel hinzugelernt zu haben, liegt der Schluss nahe, dass diesem Sinneswandel persönliche Animositäten zugrunde liegen.

Selber denken macht einsam
Mit dem Wandel der Berichterstattung einher ging aber auch ein deutlich spürbarer Umschwung der öffentlichen Meinung zu Daniel. Aus dem anfänglich fast unisono umjubelten Jung-Star wurde der umstrittenste Pop-Sänger
Deutschlands. Viele, die ihn anfänglich noch „cool“ fanden, folgten der in den Medien propagierten Mehrheitsmeinung und wandten sich von Daniel ab.


Hierin zeigt sich wieder einmal, welche Macht die Medien auf die Bildung der öffentlichen Meinung haben. Nicht das Können oder vermeintliche Nicht-Können entscheiden über den Erfolg oder Misserfolg eines Künstlers, sondern die medial gesteuerte Manipulation des Konsumverhaltens potenzieller Interessenten. Wer will schon Fan eines Künstlers sein, von dem es heißt, er sei völlig „out“? Es bedarf eines starken Selbstbewusstseins, um sich gegen den Mainstream zu stellen – genau daran aber mangelt es jenen, die lieber mit dem Strom schwimmen.

Potter stinkt
Interessant dabei ist, dass ein ganz anderer junger „Star“, der viele Parallelen zu Daniel Küblböck aufweist, sich des allgemeinen Wohlwollens der Medien – und damit auch des größten Teils der Bevölkerung – sicher sein kann. Zwar handelt es sich nur um eine fiktive Person, dennoch ist es überraschend, wie sich die Umstände ähneln und die Reaktionen darauf doch unterschiedlicher nicht sein könnten.

Die Rede ist von Joanne K. Rowlings Romanhelden Harry Potter.

Schon das Aussehen Harrys weist erstaunliche Ähnlichkeiten zu Daniel auf: relativ klein und zierlich, mit dunklem Haar und Brille – so könnte auch die Beschreibung von Daniel lauten. Selbst die Stirnnarbe ist bei beiden vorhanden, wenngleich sie bei Daniel nicht gezackt ist.

Harry wächst in der Familie seiner Tante auf, wo er auf ständige Ablehnung stößt. Insbesondere sein älterer Cousin Dudley piesackt ihn, wo er nur kann. Dennoch bewahrt sich Harry seinen Lebensmut, indem er Strategien entwickelt, den permanenten Attacken seiner Ersatzfamilie aus dem Weg zu gehen. Wer Daniels Lebensgeschichte kennt, wird viele Gemeinsamkeiten entdecken.
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 4 · © 2004 danielwelt.de · Email info@im-endeffekt.net · Impressum