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Gesellschaft & Medien 4/9
August 2004
Daniel, Harry und die Macht der Medien
Topspezialisten am St.-Mungo-Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen halten es für durchaus möglich, dass Potters Gehirn durch den Angriff des Unnennbaren nachhaltig geschädigt wurde und dass seine Behauptung, die Narbe schmerze noch immer, Ausruck einer tief sitzenden Störung ist.

„Gut möglich, dass er alles vortäuscht“, meint ein Spezialist, „es könnte ein Schrei nach Zuwendung sein.“...

„Wir glauben, dass er für ein bisschen Macht alles tun würde.“ 6

Wie äußerte sich noch gleich „Psychologe“ Dr. Lüdke nach Daniels „Zusammenbruch“ bei Gracias Ausscheiden? Daniel wäre labil, den Anforderungen der Casting-Show und dem damit verbundenen Rummel nicht gewachsen. Später war von Borderline-Syndrom die Rede, gar von Selbstmordgefährdung – also einer „tief sitzenden Störung.“

Viele Journalisten schlossen sich dieser Meinung an, behaupteten, der Gang ins Rampenlicht wäre bei Daniel ein „Schrei nach Zuwendung“ und dass er – insbesondere im Zusammenhang mit der Dschungel-Show – für ein bisschen Ruhm „alles tun würde“.

Die Macht der Medien
Nach diesem ersten Bericht über Harrys angebliche Gestörtheit erscheint im Tagespropheten praktisch kein Artikel mehr ohne die Nennung von Harrys Namen. Hermine meint dazu: „...Die lassen deinen Namen nur so nebenbei einfließen, als Dauergag sozusagen.“ 7 Nicht anders verhält es sich bei Daniel. Selbst in den abstrusesten Zusammenhängen wird der Name Küblböck benutzt – ein sicherer Garant für die Aufmerksamkeit der Leser.

Hermine weiter: „Jetzt schreiben sie über dich, als ob du so ein Spinner wärst, der ständig Aufmerksamkeit sucht... Dauernd lassen sie hämische Kommentare über dich einfließen.... Die wollen dich als jemanden hinstellen, dem keiner glauben kann... Die wollen, dass die Zauberer von der Straße denken, du wärst nichts weiter als ein dummer Junge, eine Art Witzfigur, der lächerliche, übertriebene Geschichten erzählt, weil es ihm so gefällt, berühmt zu sein, und der die Sache am Laufen halten will.“

Als zu einem späteren Zeitpunkt Harry und Hermine darauf bestehen, dass die Journalistin endlich die Wahrheit berichtet, antwortet diese: „Es gibt keinen Markt für eine solche Story... Die werden keine Geschichte drucken, die Harry in gutem Licht erscheinen lässt. Keiner will das lesen. Das ist gegen die Stimmung in der Öffentlichkeit...“ Darauf Hermine: „Also ist der Tagesprophet dazu da, den Leuten zu sagen, was sie hören wollen, stimmt’s?“ Antwort Rita Kimmkorn: „Der Prophet ist da, um sich zu verkaufen...“
Angesichts dieser Passagen drängt sich der Vergleich mit dem Umgang der Medien mit Daniel geradezu auf.

Viel später, als sich herausstellt, dass Harrys Erzählungen der Wahrheit entsprechen und die öffentliche Meinung wieder zu seinen Gunsten kippt, schreibt der Tagesprophet: „Eine einsame Stimme der Wahrheit... als unausgeglichen hingestellt, hat er doch immer an seiner Geschichte festgehalten... gezwungen, Spott und Verleumdungen zu ertragen."

Hermines lakonischer Kommentar dazu: „Mir fällt auf, dass sie die Tatsache unterschlagen, dass sie es selbst waren, die im Propheten all den Spott und die Verleumdungen gebracht haben.“

Toleranz und Respekt
Die Parallelen zwischen Harry Potter und Daniel Küblböck sind erstaunlich. Wäre nicht absolut sicher, dass Joanne K. Rowling die bisherigen Potter-Bücher bereits vor dem Erscheinen von Daniel in der Öffentlichkeit geschrieben hat, man könnte glauben, sie hätte Daniel als Vorbild für Harry genommen. Dass der Titel von Daniels im August anlaufenden Film ausgerechnet Daniel, der Zauberer ist und laut Vorankündigung auch magische Elemente enthält; dass Daniel während seiner Herbsttour 2003 auch kleine Zaubertricks vorführte; und nicht zuletzt, dass Daniel seine Fans „bezaubert“ – dies alles rundet das Bild ab.

Harry Potter – der Held der Kinder, aber auch von vielen Erwachsenen geliebt; geliebt für seinen Mut, seinen eisernen Willen, seine Offenheit und Ehrlichkeit, seine bedingungslose Authentizität selbst dann, wenn sie ihm Missbilligung und Verachtung einbringt. Kurzum: geliebt und bewundert für seine Positive Energie. Wohl niemand identifiziert sich mit Harrys Gegnern.

Da bleibt die Frage, warum der „reale Harry Potter“ Daniel Küblböck aus genau denselben Gründen auf so viel Ablehnung stößt. Macht vielen in der Realität Angst, was sie in der Fiktion bewundern?

Es bleibt zu hoffen, dass sich alle – insbesondere die Medien – wieder auf das besinnen, was das Wichtigste ist: Toleranz und Respekt einem jeden gegenüber! Harry Potter und Daniel Küblböck – sie können dies lehren.

Inge Radinger

1 taz 18.07.2003: Nicht lustig: Die Verbohlung des Daniel Küblböck
2 FAZ 10.05.2003: Ausgekocht, abgebrüht und ausgeliefert
3 DIE ZEIT Nr.14/2003
4 www.brmen4u.de: Biografiewahn – Von Brother Louie, der dampfenden Kacke und einer Kaulquappe
5 www.rhein-main.net: Eine Lanze für Daniel, 08.09.2003
6 Joanne K. Rowling: Harry Potter und der Feuerkelch; Carlsen Verlag GmbH
7 Dieses und alle weiteren Buch-Zitate: Joanne K. Rowling: Harry Potter und der Orden des Phönix; Carlsen Verlag GmbH
 
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