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Gesellschaft & Medien 2/10
Februar 2006
Little Smile
einen Ausbildungsplatz nicht einmal eine Antwort bekommt. Ich verstehe sehr gut, dass sich viele Menschen in Deutschland Sorgen machen. Ich finde es schlimm, wie Unternehmen mit ihren Arbeitern und Angestellten umgehen, wie offensichtlich nur noch der Profit und der schnelle Gewinn zählen. Es stimmt schon, in unserer Gesellschaft ist vieles krank, Konsum alleine kann nicht glücklich machen, aber ich finde auch, gerade die jungen Menschen trauen sich selber zu wenig zu, arbeiten nicht hart genug an sich selbst. Man muss einfach anfangen, was zu tun und dann nicht mehr aufhören immer weiter zu gehen.
Zurück zu Ihrer Frage: Ich fühle mich in meiner alten Heimat Deutschland oft fremd, aber für mich war schon vorher Konsum kein Wert für sich.
Kinder von LITTLE SMILE
2) Unter den Kindern, die im LITTLE SMILE KOSLANDA leben, sind doppelt so viele Mädchen wie Jungen. Zufall - oder werden Mädchen öfter verstoßen oder abgegeben?
Mädchen und Frauen zählen im Wertesystem der Gesellschaft hier deutlich weniger. Mädchen müssen "an den Ehemann gebracht werden" das heißt, sie müssen mit einer Mitgift ausgestattet werden. Ein Mädchen ist also eine grosse Belastung, gerade für arme Familien. Bei jeder Hochzeit verschuldet sich die Familie der Braut, bei mehreren Töchtern droht auch "normalen" Familien auf dem Land so nicht selten der Ruin. Da die Mädchen immer dem Mann "übergeben" werden, also zur Familie des Mannes ziehen, sind es die Söhne, die später für die alten Eltern sorgen. Dementsprechend ist der Wert eines Sohnes natürlich größer. Wenn also Familien in große Armut und Not geraten, sind es die Mädchen, die am Wenigsten bekommen, auch Essen, sie werden oft früh, zu früh aus der Schule genommen, müssen mithelfen, oft auch Geld verdienen, sind später dann vom Ehemann völlig abhängig und ihm so natürlich auch absolut ausgeliefert. Prügel und  Misshandlungen ist  so Tür  und Tor geöffnet.
Es gibt aber noch einen Grund, warum wir deutlich mehr Mädchen haben. Die buddhistischen Klöster kümmern sich zuweilen um arme und verlassene Kinder, aber eben immer nur um Jungs. Sie rekrutieren aus dieser Gruppe ja ihren Nachwuchs.
Was für uns aber die größte Sorge ist: Mädchen sind ab einem Alter von etwa zwölf Jahren häufig sexuellen Nach-
stellungen ausgesetzt. Die Mutter könnte nie zur Arbeit gehen und die heranwachsende Tochter alleine in der Hütte lassen. Kindesmissbrauch und Vergewaltigung sind hier leider keine Seltenheit. Ich würde es also so formulieren: Wir haben in Little Smile mehr Mädchen, weil die Not der Mädchen größer ist.
3) Sie kritisieren die schnelle, oft unüberlegte Hilfe von einigen Hilfsorganisationen. War aber nach dem Tsunami nicht auch Soforthilfe für die obdachlosen Menschen, die all ihr Hab und Gut verloren hatten, gefragt? Hat da auch ein gewisser Druck seitens der Spender bestanden, die Erfolge sehen wollten?
Wir reden hier nicht von der Soforthilfe. Gleich nach der Katastrophe musste natürlich schnell etwas passieren, war die Lage unübersichtlich und die Not riesig. Keine Organisation hatte Erfahrung mit einem Tsunami dieser Größenordnung, ganz einfach, weil es vorher so eine Welle noch nicht gegeben hat. Ein Tsunami ist kein Erdbeben und man muss ihm auch in der Soforthilfe anders begegnen. Heute sind viele Organisationen klüger, aber das half ja damals nichts. Was mich in den ersten Tagen und Wochen gewundert hat, war, dass die alle nicht bei den Menschen und Organisationen nachgefragt haben, die schon lange im Land waren und die sich mit den Gegebenheiten auskannten. Wie auch immer, bei der Soforthilfe geht immer was verloren, weil es eben schnell gehen muss.
Was ich kritisiere, ist der oft blinde Aktionismus und die Unseriostität, mit der um Spenden und Gelder gebuhlt wurde. Wenn eine Organisation, die vorher nie mit Aufbauhilfe beschäftigt war, plötzlich mit dem Programm der 1000 Boote und der 1000 Häuser für je 1000 Euro wirbt, dann ist das schlicht und ergreifend eine Irreführung. Für 1000 Euro kann hier niemand eine vernünftige Hütte bauen, die auch noch nach ein paar Jahren steht. Eine andere Organisation hat zwei Millionen Kokosnusspalmen am zerstörten Strand gepflanzt, hat sie umzäunt und gießen lassen. Das klingt ja ganz toll und lässt sich sicher gut “verkaufen”, wer möchte nicht mit seiner Palme am Tsunamistrand Aufbauhilfe leisten und das auch noch mit einem ökologischem Touch. Nur, wenn Sie ein Jahr später nachschauen, dann sind die meisten dieser Palmen verschwunden, die waren zu nahe am Wasser gepflanzt worden oder standen Straßen oder Bauprojekten im Weg. Die Liste der fragwürdigen Projekte ist lang, ganze Dörfer, die ins Hinterland gesetzt wurden, stehen bereits leer und verfallen. Die Ursache dafür liegt auch bei den Spendern. Die haben einen ungeheuren Erwartungsdruck aufgebaut, hatten keine Geduld, wollten sofort etwas sehen für ihr Geld. Aber ich kann Ihnen versichern, nichts, wirklich nichts außer Geldausgeben geht leicht und damit schnell in diesem Land.
4) Provokant gefragt, hatte der Tsunami nicht auch einen positiven Nebeneffekt, indem sich der Fokus (und das Geld!) der übrigen Welt verstärkt auf Sri Lanka gelegt hat? Haben Sie diese verstärkte Spendenfreudigkeit auch bei LITTLE SMILE gemerkt?
Das ist genau das Phänomen mit den zwei Seiten ein und derselben Medaille. Es kamen nach der Katastrophe sehr
 
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