Little Smile
Fortsetzung von Seite 2
viele Hilfsgelder ins Land, die Preise und die Ansprüche
sind gestiegen. Man konnte also mit 1000 Euro nicht mehr das bewirken, was man damit
vor dem Tsunami schaffen konnte. Gleichzeitig hat man mehr Geld
bekommen. Das Problem, nicht nur für uns, sondern für alle Organisationen,
die schon vor dem Tsunami in diesem Land gearbeitet haben, war,
dass die Bereitschaft der Opfer, sich für ihre eigene Zukunft zu
engagieren, kaum noch vorhanden war. Es hat ja die ersten Monate
genügt, sich mit ein paar Tränen auf die Trümmer am Strand zu setzen.
Meist hat es nicht lange gedauert und jemand mit Hilfsgeldern kam
vorbei. So sind viele Abhängigkeiten und neue Almosenempfänger,
um nicht zu sagen Bettler, entstanden. Mit der so viel zitierten
und langfristig auch einzig sinnvollen Hilfe zur Selbsthilfe hat
das nun wirklich nichts zu tun.
5) Wo sehen Sie den Grund für diese
enorme Spendenfreudigkeit? Sind die Menschen eher betroffen und
helfen, wenn eine Naturkatastrophe auf einmal Tausende unschuldige
Opfer fordert, als wenn Menschen wie in Afrika unspektakulär "still"
vor sich hin sterben? Und hat auch der Zeitpunkt, Weihnachtszeit,
sein Übriges getan?
Da gab es eine Reihe von Gründen. Wäre
die Riesenwelle beispielsweise in der Nacht gekommen, hätte es keinerlei
Videoaufnahmen und Fotos gegeben. So aber konnten wir am TV hautnah
und in der ersten, aber doch sicheren Reihe miterleben, wie sich
ein Urlaubsparadies in Sekundenschnelle in ein Inferno verwandelte,
wie Menschen, gerade noch in die Kamera lächelten, um einen Moment
später ums nackte Überleben zu kämpfen. So etwas geht unter die
Haut, schafft Betroffenheit und Mitgefühl. Eine Rolle gespielt hat
ganz sicher auch, dass von der Katastrophe mit Thailand und Sri
Lanka auch beliebte Urlaubsparadiese betroffen waren. Viele von
uns waren ja schon in diesen Ländern, vielleicht gerade an
den Stränden, kannten einen Verkäufer,
Fremdenführer, Fahrer. So etwas schafft Solidarität. Ich wage zu
behaupten, dass es niemals diese Hilfsbereitschaft gegeben hätte,
wären unbekannte Küstenstreifen irgendwo in Afrika betroffen gewesen.
Ganz sicher von Bedeutung war auch noch, dass es zur Hauptferienzeit
passiert ist, dass fast jedes Land seine Opfer zu beklagen hatte
und das ganze dann auch noch am 2. Weihnachtstag.
Aber Sie haben auch recht, diese Naturkatastrophe, die uns fast schon an eine apokalyptische
Strafe erinnert, hat unter uns Menschen, ja sogar unter fast allen
Nationen ein Wir-Gefühl ausgelöst, das in der Geschichte der Menschheit
wohl einmalig ist. Bei aller begründeten Kritik, die es im Zusammenhang
mit der Tsunamihilfe gibt, das ist etwas Großartiges und macht Hoffnung.
6) Wie würde Ihrer Ansicht nach die perfekte Entwicklungshilfe
aussehen? In all den Jahren sind Unmengen an Geldmittel von UNO,
Weltbank, NGOs, etc. in die Entwicklungsländer geflossen, eine signifikante
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Verbesserung deren Lage ist aber nicht zu sehen. Was läuft da falsch?
Alle Verallgemeinerungen und Verkürzungen
werden der Bedeutung dieser Frage nicht gerecht. Ohne den geringsten
Anspruch auf Vollständigkeit hier einige der Hauptgründe, so wie
ich es sehe:
Hinter staatlicher Entwicklungshilfe stehen fast immer
handfeste wirtschaftliche Interessen der Geberländer und Institutionen.
Die Weltbank gibt kein Geld, weil sie für sich selbst plötzlich
ein positives Wertesystem jenseits des eigenen Credos entdeckt hat:
Jede Bank ist einzig und alleine eine Anstalt zur Vermehrung von
Kapital. Wenn, quasi aus Versehen, damit auch mal was Gutes bewirkt
wird, nimmt man das gerne und öffentlichkeitswirksam in Kauf, das
Ziel ist ein anderes. Ähnlich verhält es sich mit staatlicher Entwicklungshilfe.
Wir züchten uns doch nicht unsere eigene Konkurrenz, höchstens wollen
wir neue Absatzmärkte für unsere Produkte erschließen. Wenn beispielsweise
ungeheure Summen zum Kauf von Getreide aufgewendet werden, angeblich
um den Hunger in der Welt zu bekämpfen, so werden dadurch letztlich
nur die Getreideerzeuger in den Geberländern, die Transportunternehmer
und Zwischenhändler sowie Spekulanten an der Börse reicher. Die
Farmer in den armen Ländern, wo das Getreide hinfließt, können ihre
Produkte nicht absetzen, mehr Menschen verarmen und werden von Hilfslieferungen
abhängig. Dazu kommt, dass Eßgewohnheiten verändert werden, indem
Länder, wo Menschen bisher ausschließlich Mais oder Reis gegessen
haben, auf Getreideprodukte zurückgreifen, weil die durch die Spenden
billiger sind. Oft vertragen die Menschen das Getreide gar nicht,
neue Volkskrankheiten entstehen.
Viele der offiziellen Helfer sind
zwar Profis in einem bestimmten Gebiet, meist verbinden sie aber
kein großes persönliches Interesse mit dem Land, in dem sie arbeiten.
Nicht selten wird der “Job” als Zwischenstation auf der Karriereleiter
verstanden. Wenn aber dann wirkliches persönliches Engagement vorhanden
ist, kann es durchaus vorkommen, dass diejenige Person, gerade
wenn sie sich richtig eingearbeitet hat, in ein anderes
Land versetzt wird.
Ich glaube, am meisten erreicht wird von Organisationen,
die sich auf ein bestimmtes Land oder zumindest auf einen Kulturkreis
spezialisieren. Ich denke “Menschen für Menschen”, die Organisation
die Karl-Heinz Boehm gegründet hat, ist so effektiv, weil es sich
auf ein Gebiet in Afrika konzentriert hat. Wirklich sinnvolle Entwicklungshilfe
muss immer als Ziel haben sich überflüssig zu machen. Glauben Sie
wirklich ein Funktionär beispielsweise der UN hat ein Interesse
daran, sich überflüssig zu machen und so sein oft durchaus gut bezahltes
und angenehmes Leben in einem Billigland aufzugeben?
Ich bin davon überzeugt, dass es in jedem Land genügend positive Kräfte gibt,
damit dieses Land sich entwickeln kann. Entwicklungshilfe, das sagt
ja schon der Name, soll dazu nur Hilfestellung geben und nicht ständig
unter dem Deckmantel der Hilfe neue Abhängigkeiten schaffen und ganz
anderen Interessen dienen.
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