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Gesellschaft & Medien 4/10
Februar 2006
Little Smile
7) Haben Sie die Entführung und Freilassung von Susanne Osthoff verfolgt? Ihre Arbeit für LITTLE SMILE in einem von Bürgerkrieg beherrschten Land ist in etwa vergleichbar. Verstehen Sie ihre Entscheidung, die ja in Deutschland Kritik hervorgerufen hat? Wie gefährlich ist das Gebiet dort einzustufen, in dem Sie sind?
Ich habe nicht wirklich viel hier mitbekommen, wir haben kein Fernsehen und auch nur einheimische Radiosender, die dieses Thema nun wirklich nicht interessiert. Ich weiß nur, dass Frau Osthoff entführt und schließlich wieder freigelassen wurde. Ob dafür Bedingungen erfüllt wurden und Geld geflossen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß aber so viel von der Lage im Irak, dass es oft kriminelle Banden sind, die hier ein sehr einträgliches Gewerbe verfolgen. Ich kann nicht beurteilen, wie sehr Frau Osthoff vor Ort gebraucht wird, unersetzlich sollte aber niemand sein. Fest steht, dass sich ihre Familie in Deutschland viele Sorgen gemacht hat, dass sich Menschen für ihre Freilassung sehr eingesetzt haben. Über deren Sorgen würde ich mich nicht einfach hinwegsetzen. Grundsätzlich stellt sich für mich immer die Frage danach, warum ein Mensch sich für dies oder jenes entscheidet. Ich glaube, Frau Osthoff tut auch den Menschen, die im Gastland mit ihr arbeiten oder sie mögen keinen großen Gefallen, wenn sie zu schnell wieder dorthin geht.
In Sri Lanka ist die Situation etwas anders. Bisher wurden Weiße noch kein einziges Mal entführt, es gibt keine besonderen Anschläge gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, im Gegenteil. Die weiße Hautfarbe schützt einen ein wenig. Freilich, Bomben und Minen kümmert das nicht. Durch das Aufflackern des Bürgerkriegs ist es an der Ostküste unsicherer geworden, begegnet  mir  dort  immer  wieder  Gewalt  und  Tod. Aber gerade als Ausländer, als Weißer kann ich da mehr tun und etwas sicherer sein als einheimische Mitarbeiter. Das ist für mich der entscheidende Unterschied zur Situation im Irak.
8) Welche Probleme behindern derzeit die Arbeit? Wie sieht es mit Maschinen und Werkzeugen, wie mit Baumaterialien aus?
Baumaterialien sind zwar teuerer als vor dem Tsunami, aber es gibt keine Engpässe mehr. Schwieriger ist es schon, gute Facharbeiter zu finden. Als Maurer oder Schreiner kann man sich den Arbeitsplatz hier wirklich aussuchen. Darum haben wir ja eine Reihe von Ausbildungsprogrammen und Kursen gestartet, aber das dauert eben, bis die Leute so weit sind. Fast unmöglich ist es qualifiziertes Führungspersonal zu bekommen. Sie müssen sich vorstellen, dass etwa 50 Mal so viele Organisationen in Sri Lanka sind als vor dem Tsunami. Und alle brauchen lokale Führungskräfte. Meinem Leiter, Herrn Anton Weresingha, wurde zwanzigmal so viel geboten, als er bei Little Smile verdient. Ich bin froh, dass er trotzdem bei uns geblieben ist. Nur, einen guten Accountant, also jemand, der für die Abrechnungen zuständig ist, finde ich bisher nicht. Da  hilft  uns  Gott sei Dank ein Jahr lang Petra aus Österreich, aber eine Dauerlösung ist das natürlich nicht.
9) Wie sieht Ihr Tagesablauf aus? Was ist von Deutschland aus zu tun, kann geregelt werden? Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Einwohnern aus, wie ist ihre Mentalität?
Es macht natürlich einen großen Unterschied, ob ich im Kinderdorf in den Bergen, in unserem Zentrum in Kalmunai an der Ostküste, im Kinderheim bei Batticaloa oder in Galle an der Südküste bin. Ich beschreibe mal ganz kurz den Tagesablauf der Kinder im Dorf in Koslanda:
Wir alle stehen um 5 Uhr am Morgen auf, die täglich wechselnde Kochtruppe eine Stunde früher. Bis um 7 Uhr gibt es sehr viel zu tun in den Kinderhäusern, damit alle 78 Kinder rechtzeitig fertig werden. Um 7 Uhr ist vor dem Haupthaus gemeinsames Gebet. Nach dem Singen der Hymne brechen die Kinder in die auswärtige Schule auf. Um 7:30 Uhr kommen die Tagesarbeiter, werden die Arbeiten vergeben, um 8 Uhr ist die Besprechung der Erzieherinnen, etwa um 9 Uhr gibt es Frühstück. Danach ist es immer ganz unterschiedlich. Grundsätzlich gilt hier, dass wir zwar genau planen, es aber trotzdem immer anders kommt, weil einfach sehr viel Unvorhersehbares passiert. Um 14 Uhr kommen die Kinder von der Schule zurück, Mittagessen, Förderunterricht, Arbeitszeit im Garten, Waschen, Spielen, Gebet am Tempel, Studierzeit, Hausaufgaben, allein im Bereich der Erziehung der Kinder gibt es unendlich viel zu tun und alles ist genau geregelt. Um 21 Uhr ist für die Kleinen, um 22 Uhr für die Großen Zapfenstreich. Ich arbeite dann meist noch am Computer, beantworte Mails und mache Pläne, vorausgesetzt, wir haben keinen Stromausfall, was häufiger vorkommt als mir lieb ist.
10) Was war Ihr schönstes/schlimmstes Erlebnis?
Es gibt wirklich viele schöne Momente und meist haben sie damit zu tun, dass man Kindern ein Lächeln zurückgeben darf. Eine besonders schöne Erinnerung verbinde ich mit diesem Weihnachtsfest. Gemeinsam mit meiner Frau und meinen beiden Söhnen aus Deutschland haben wir mit der großen Little Smile Familie ein sehr intensives Weihnachten feier dürfen, nach diesem sehr schweren Jahr 2005. Es gibt freilich auch traurige Erinnerungen, etwa an die vielen toten Kinder in Kalmunai, an das Weinen im überfüllten Krankenhaus. Ich habe mich da so klein und hilflos gefühlt angesichts all der Zerstörung, all der Tränen und der Toten.
11) Was gibt Ihnen immer wieder Kraft und Mut um weiterzumachen?
Es sind die Kinder, wenn sie wieder lächeln. Das Kinderdorf ist mein emotionales Daheim, hier tanke ich Kraft für all die Aufgaben.
12) Wovon leben Sie und ihre Familie, machen Sie oder Ihre Frau beruflich noch etwas um Geld zu verdienen?
2005 konnte ich nur knapp zwei Monate zum Geldverdienen hernehmen. Ich habe da sehr intensiv für das Bayerische Fernsehen gearbeitet, aber das genügt natürlich nicht. Wir leben ansonsten von Erspartem, schränken uns sehr ein, sind also sehr bescheiden, was die Ansprüche betrifft. Bei all den Aufgaben hier in Sri Lanka  glaube  ich  nicht, dass  ich  die  kommenden  fünf
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 9 · © 2003 - 2006 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe